Foto: Ian: Poppyland in HD (CC BY-NC 2.0)

Chefs – so wichtig wie Ehepartner

So lautet immer noch der Titel eines Online-Berichtes (www.handelsblatt.com), den das gleichnamige Printmedium vor Jahren ausführlicher recherchierter. „Unsere Chefs sind die wichtigsten Bezugspersonen in unserem professionellen und auch in unserem Privatleben“, dies hat der Verhaltensforscher Brad Gilbreath von der Indiana University herausgefunden: „Die Beziehung zum Chef ist für einen Menschen fast ebenso wichtig wie das Verhältnis zu seinem privaten Partner.“ Kann doch ein Boss das persönliche seelische Befinden des Einzelnen und der gesamten Belegschaft negativ beeinflussen.

In seiner wissenschaftlichen Untersuchung mit Angestellten aus den unterschiedlichsten Berufssparten kam heraus, dass über die Hälfte der Befragten „von den schlechten Stimmungen des Arbeitgebers auch privat negativ beeinflusst wurden“. Und fast noch schlimmer: Jeder zweite Befragte gab zu, dass er ein gestörtes Verhältnis zum Boss hat.

Das bestätigen in schöner Regelmäßigkeit auch die aktuellen Studien der Beratungsfirma Gallup. Der häufigste Grund, warum ein Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt, ist demnach das gestörte Verhältnis zwischen ihm und seinem Vorgesetzten.

Die Zeitschrift „Psychology Today“  bestätigt: Eine angespannte Beziehung zum Chef übertrumpft deutlich die anderen wichtigen Kündigungsgründe wie mangelndes Gehalt, Überstunden und zu viel Stress im Beruf.

Auch Reinhard Sprenger, der deutsche Management-Guru sieht das so:

Mitarbeiter verlassen nicht schlecht geführte Unternehmen,
sondern schlecht führende Vorgesetzte.

Mehr noch: „Unser Verhältnis zum Boss kann uns krank machen“, bringt es Nadia Wagner, Psychologin am Buckinghamshire Chilterns College in Großbritannien, auf den Punkt. In einer Studie mit Krankenhausangestellten fand sie heraus, dass mangelnde Führungsqualitäten von Managern – wie etwa unsensibles Auftreten, Respektlosigkeit und unfaire Gesten – sich direkt auf die Physis der Angestellten auswirkten.

Krankenschwestern, deren Vorgesetzte menschlich schwierig waren, verzeichneten einen bis zu 20 Prozent höheren Blutdruck als jene, die mit sanften und verständnisvollen Chefs zu tun hatten.

Warum aber ist das Verhältnis zum Chef auch noch außerhalb der Arbeitsstätte – praktisch rund um die Uhr – so tragend? Wieso kann ein Angestellter seinen Frust nicht einfach mit dem Schließen der Bürotür in der Firma lassen?

Emotionen sind ansteckend. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeitern. „Es gibt zwei Arten von Beziehungen, in der Emotionen ansteckend sind“, weiß Richard Boyatzis, Buchautor und Psychologie-Professor an der Case Western Reserve in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio. „Da ist zum einen die Partnerschaft im Privatleben. Und dann ist da die Powerbeziehung zwischen dem Angestellten und dem Boss im professionellen Leben.“ Allerdings fließen in romantischen Beziehungen die Emotionen in beide Richtungen. Das ist im Berufsleben anders: Hier existiert meist eine Einbahnstraße. Der Boss gibt die Richtung vor. Schlechte Stimmung, die von ihm ausgeht, strahlt direkt auf die Angestellten aus. Hat der Vorturner üble Laune, kann die Belegschaft kaum heiter und motiviert sein. Ist ein Boss frustriert oder unglücklich, dann ist die Gefahr groß, dass auch die Angestellten frustriert und unglücklich sind.

Das Emotionen ansteckend sind, können sich Chefs und Unternehmen allerdings auch zu Nutze machen. Microsofts Bill Gates weiß, dass „ein gut gelaunter Mitarbeiter produktiver ist als einer, der ständig mies drauf ist“. Wohl auch deshalb galt Microsoft jahrelang als Mitarbeiteroase. Das Management gab den Angestellten so viel Freiraum, dass jeder einen Schlüssel fürs Büro bekam und arbeiten konnte, „wann immer es zeitlich am besten passte“.

„Als Chef habe ich meinen Mitarbeitern gegenüber auch eine moralische Verantwortung. Ich möchte, dass sie gut drauf sind“, betont Virgin-Boss Sir Richard Branson, der in seinem Unternehmen dafür bekannt ist, dass von ihm selbst „sehr viel positive Energie kommt.“ Das überträgt sich, denn Virgin schneidet bei Mitarbeiterbefragungen immer wieder hervorragend ab, weil sie faire und verständnisvolle Führungskräfte haben.

Quellen:
Handelsblatt, 31.01.2006
handelsblatt.com, Meldung vom 01.06.2015

Von Redaktion · 19. Mai 2015