Foto: Ian: Poppyland in HD (CC BY-NC 2.0)

Gesundheit – was ist das?

Oberflächlich betrachtet, könnte man der Versuchung erliegen, auf die Frage: „Was ist Gesundheit?“ mit „Wenn man nicht krank ist.“ zu antworten. Dabei hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 1948 in ihrer Verfassung postuliert:

„Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.“ Um damit die politische Forderung zu unterstreichen: „Der Besitz des bestmöglichen Gesundheitszustandes bildet eines der Grundrechte jedes menschlichen Wesens.“

Aus dieser Definition geht eindeutig hervor, dass Gesundheit weit mehr als den rein körperlichen Aspekt beinhaltet und dass Gesundheit etwas Subjektives darstellt. Nicht objektive Daten bestimmen den Zustand des Krank- oder Gesundseins, sondern der Mensch mit seinem Erleben wird in den Mittelpunkt gerückt.

Wir wissen mittlerweile auch, dass der Mensch anpassungsfähig ist, sich selber regulieren kann, funktionierende Bewältigungsstrategien besitzt und dies alles entwickeln kann. Dies wurde 1986 in der ersten Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung, in der sogenannten Ottawa-Charta, berücksichtigt:

Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: Dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglicht.

Bei Gesundheit handelt es sich also folglich um ein dynamisches Geschehen, das durch die Fähigkeit eigene Entscheidungen zu fällen, gestaltbar ist. Gemäß dieser Definition ist der Mensch seinem Schicksal – in diesem Fall krank oder gesund zu sein – nicht mehr bedingungslos ausgeliefert, sondern gestaltet seine Gesundheit mit. Dies wiederum verlangt auch ein beträchtliches Maß an Eigenverantwortung.

Allerdings schließt diese Definition auch die Verantwortung der Gesellschaft mit ein. Es liegt an der Gesellschaft, Bedingungen zu schaffen, die es den Menschen ermöglicht, „Gesundheit zu schaffen“. Gesundheit wird als ein dynamischer Prozess des alltäglichen Lebens definiert, der geprägt ist von der Interaktion zwischen Lebensweisen und Lebensumständen.

Die Ottawa Charta formuliert somit klar, dass sämtliche politische Institutionen gefordert sind, jene Bedingungen zu identifizieren und zu fördern unter denen Gesundheit entsteht und fordert alle zu einem aktiven Handeln im Sinne der Gesundheit auf. In diesem Kontext übernimmt das moderne betriebliche Gesundheitsmanagement eine große gesellschaftliche Verantwortung.

Damit ist klar: Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Allerdings ist sie auch nicht mit vollständigem Wohlbefinden oder ewiger Jugend gleichzusetzen, selbst wenn der Zeitgeist uns das oft suggerieren mag.

Der Medizinsoziologe und Begründer des Salutogenese- Modells, Aaron Antonovsky, spricht von einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum. Das bedeutet:

Niemand ist vollkommen gesund, oder wie die Schulmedizin es auf den Punkt bringt: „Es gibt keine vollkommen Gesunden, nur schlecht Durchdiagnostizierte.“ Allerdings ist auch niemand vollkommen krank; denn so lange jemand lebt und noch nicht gestorben ist, hat er noch einen Teil Gesundheit in sich.

Insofern bilden Gesundheit auf der einen Seite und Krankheit auf der anderen Seite die Endpole des Gesundheits-Krankheits-Kontinuums und markieren die Strecke, auf der man sich zeitlebens bewegt und gestalten kann.

Auch wenn es keine vollkommene Gesundheit gibt, interessiert uns die Frage: welche Faktoren lassen das Pendel eher in Richtung Gesundheit ausschlagen?

Wichtiger Gesundheitsfaktor ist laut Antonovsky ein Gefühl der Stimmigkeit, das ein Mensch in Bezug auf sein eigenes Leben hat. Das schließt die Sinnhaftigkeit seines Daseins, ein Gefühl des Vertrauens, seine Lebensziele und der Grad ihrer Erreichung, die Erfüllung seiner wichtigsten Werte, seine Leistungsfähigkeit, seine Liebesfähigkeit, sein eingebunden sein in soziale und familiäre Beziehungen mit ein. Gesund in diesem Sinne kann ein Mensch also auch dann sein, wenn er z.B. an einer chronischen Krankheit leidet.

Gesundheit ist also weniger ein festgeschriebener Zustand, den es zu erreichen gilt, sondern ein dynamischer Prozess, den es zu gestalten gilt.

Zu diesen Gestaltungsfeldern gehört natürlich der medizinische Bereich (Laborwerte, ärztliche Untersuchungsbefunde usw.) und die klassische Gesundheitsthemen (Bewegung, Ernährung, Schlaf, Entspannung). Darüber hinaus gibt es viele andere Aspekt, die normalerweise in der Gesundheitsdiskussion unberücksichtigt bleiben, die aber dennoch einen enormen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Wenn Sie mögen, können Sie bei jedem der folgenden Punkte die Fragen stellen:

  1. Wie sieht das bei mir aus? Treffen Sie bei jedem der folgenden Punkte Ihre Einschätzung auf einer Skala von 0-10 (0 = nie // 10 = immer).
  2. Im zweiten Schritt stellen Sie sich die Frage: Wie zufrieden bin ich damit? (von vollkommen unzufrieden bis äußerst zufrieden)

Beispiel: Angenommen Ihre Einschätzung lautet bei dem Punkt „Kreativität“ „ganz selten“ (auf der Skala 1). Dann macht es, bezüglich des eigenen Wohlbefindens, einen sehr großen Unterschied, ob Sie mit dieser Einschätzung also „vollkommen unzufrieden“ sind, weil das für Sie z.B. eine persönliche Schaffenskrise bedeutet, die Sie belastet und zermürbt, oder ob Sie dabei ganz entspannt sein können und damit „vollkommen zufrieden“ sind.

Die unterschiedlichen Aspekte:

  • Glück
  • innere Zufriedenheit
  • Ausgeglichenheit
  • Kreativität
  • Humor
  • Heitere Gelassenheit
  • Annehmen was ist
  • Freude
  • Sinnhaftigkeit
  • Sexualität
  • Geistige und körperliche Fitness
  • Beweglichkeit
  • Gefühl von Stimmigkeit
  • Gefühl von Vertrauen
  • innere Erfülltheit
  • Zentriertheit
  • in sich ruhen
  • Bewusstheit
  • Achtsamkeit
  • … (vielleicht gibt es für Sie noch einen ganz wichtigen Punkt, der Ihr persönliches Wohlbefinden beeinflusst)

Darüber hinaus können Sie folgende Fragen für sich beantworten und sich dann selber fragen, wie zufrieden Sie damit sind:

  • Welche Lebensziele haben Sie und welche haben sich bereits erfüllt?
  • Welche wichtigen Lebenswerte haben Sie und welche haben sich bereits in Ihr Leben vollkommen integriert?
  • Wie sieht es mit dem Konsum von Genussmitteln aus?
  • Wie gehen Sie mit Gefühlen, z.B. mit Schmerz, Trauer, Angst, Wut und Freude um?
  • Wie ist Ihr Umgang mit Einschränkungen und Verlusten?
  • Wie gehen Sie mit Stress um?
  • Wie gelingt Ihnen das Auspendeln Ihrer Lebensbalancen?

Haben Sie sich den Luxus gegönnt und sich Zeit für die einzelnen Punkte genommen und die entsprechenden Fragen beantwortet? Herzlichen Glückwunsch! Dann haben Sie einen Schritt hin zu mehr Gesundheit getan, unabhängig von Ihrem Ergebnis. Denn mit dieser Bestandsaufnahme können Sie innehalten und die für Sie zufriedenen Punkte genießen. Und dann in Ruhe entscheiden, ob Sie bei den anderen Punkten Änderungsbedarf sehen und ggf. mit ersten Veränderungen beginnen.

Von Redaktion · 19. Juni 2015